(Nachtrag, Samstag, 15. Okt.) – “Sharki, Sharki, shaaark!” … Die fünf mexikanischen Mädls, die im Käfig als erste Gruppe ins Wasser gelassen werden, scheinen nicht wirklich aufgeregt oder nervös zu sein. Ganz im Gegensatz zu mir, die ich das ganze Spektakel noch aus sicherer Entfernung vom oberen Deck aus betrachte. Heute steht “Shark Cage Diving” auf meinem Programm. Gemeinsam mit Manu (Schweiz/Deutschland), Nicolas (Suisse), Pauline (Bretagne) und Rosi (Kolumbien) treffen wir auf Sylvester, unseren Guide, der uns heute 170 km östlich von Kapstadt in die Nähe von Hermanus begleiten wird. In der Walker Bay gibt es das weltweit größte Aufkommen von Menschenhaien (auch bekannt als Weiße Haie).
Bevor wir in den Kleinbus steigen, drückt uns Sylvester mehrere Formulare in die Hand, die wir unterschreiben müssen. “If the sharks decide to eat you…” – hier sichern sich alle Touranbieter gegen jeden nur erdenklichen Zwischenfall ab. Passieren kann immer was. Okay, jetzt wird mir mulmig. Hätte ich mir Freitagabend bloß nicht das YouTube-Video von einer Schulkollegin zeigen lassen, die mich noch ganz kurzfristig von meinen Wochenendplänen abbringen wollte …
Nun ja, jetzt ist es zu spät. Das Boot, mit dem wir aus dem kleinen Hafen in Kleinbaai ablegen, ist nicht besonders groß, kann aber inklusive der Crew ca. 25 Personen transportieren. Relativ schnell erreichen wir die Stelle zwischen der Bucht und einer vorgelagerten Insel, wo wir uns für die kommenden drei Stunden aufhalten werden. Neben uns setzen noch weitere vier Boote, u. a. eines mit dem angsteinflößenden Namen “Megalodon” (ein Urzeithai, der eine Maximallänge von 20 Metern aufweisen konnte), ihre Anker. Obwohl ich weiß, dass die (hauptsächlich!) in dieser Bucht schwimmenden “Great Whites” durchschnittlich 3,5 bis 4 Meter lang sind. Worauf habe ich mich hier bloß eingelassen? Will ich wirklich mit denen tauchen gehen? Die Werbeplakate der unterschiedlichen Touranbieter, die in der gesamten Stadt aushängen, zeigen die – spätestens seit Spielbergs “[Der] weiße[m] Hai” (engl. “Jaws”) als “menschenfressende Ungeheuer der Tiefe” geltenden – Raubfische oftmals mit weit aufgerissenen Mäulern und einem Revolvergebiss, das gerade in den Metallkäfig beißt. Ihr Gebiss setzt sich übrigens aus dreieckigen Zähnen, die zeitlebens nachwachsen, zusammen. Ja, der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. Mein Zähneklappern hält an.
Gut, die Show beginnt! Lance, der Guide am Boot, wirft den ersten Köder aus. Wäre ich ein Hai, würde mich der an einem gelben Seil und Boje befestigte Fischkopf ohne Augen Nüsse interessieren. Und wie es scheint, haben die torpedoförmigen Monster heute auch keine rechte Lust auf bereits tote Fische. Immer wieder wirft er das Lockmittel ins Wasser, jedes Mal frage ich mich, wann es denn endlich komplett zerfällt. Weil der Kopf seine – gut, nicht gerade ansehnliche – Form bis zum Schluss behält, frage ich mich zwischenzeitlich auch, ob das vielleicht überhaupt nur eine Attrappe ist. Eben eine Fischkopfattrappe.
Im blauen Wasser tut sich jedenfalls nichts. Die Mexikanerinnen, die immer noch im Metallkäfig warten, werden nun doch unruhig. Ich führe das aber eher auf die Arschkälte des Wassers zurück; Haie mögen die zwar gerne, aber die menschliche Spezies fängt auch im Wet Suit irgendwann zum Frösteln an. Da “[d]er Weiße Hai […] einen hervorragenden Geruchssinn hat und einen im Wasser verdünnten Tropfen Blut aus über 100 Meter Entfernung wahrnehmen [kann]”, wie mein Reiseführer erklärt, ergreifen nun auch Lance und Team neue Maßnahmen: Ein Crewmitglied schaufelt ab sofort eine Mixtur aus Fischabfällen und – ja, tatsächlich – Blut ins Wasser. Mmmhhh.
War da eine Haifischflosse? Nö. Zwar sind Tausende von anderen, unspektakulären und normal großen Fischen an der Kostprobe interessiert, aber kein Raubfisch. Okay, noch ist nicht aller Tage Abend (bye the way, ich liebe idiomatische Ausdrücke – egal ob auf Deutsch oder Englisch!), d.h. wir warten weiter. Als nächstes wird eine schwarze Schaumstoff-Robbe auf der Wasseroberfläche drapiert. Die Umrisse derselben sollen die von unten kommenden Haie in die Irre führen und ihnen vorgaukeln, dass es sich um eine echte handelt. Robben gelten schließlich als bevorzugtes Futter. Auch hier bleibt die See – abgesehen vom normalen Wellengang – relativ ruhig. Hm. Zu guter Letzt beginnen die Haiexperten aufzustampfen. Ich nehme an, dass diese “Signale” ebenfalls zum Anlocken dienen.
Nachdem ich der dritten und letzten Gruppe angehöre, habe ich immer noch ein bisschen Zeit, mir ein Bild von diesem ganzen Abenteuer zu machen. Ich behalte meine Position daher auf dem obersten Deck bei.
Und endlich! Da ist einer! Nein, zwei! Insgesamt sehen wir an diesem Nachmittag drei davon. Tolle Tiere! Wild, schnell, irgendwie elegant.
Mit unserem “Tauchgang” war ich leider gar nicht zufrieden, weil wir – im Gegensatz zu den beiden Gruppen vor uns – viel zu wenig Zeit unter Wasser hatten. Zwar bin ich irgendwie froh, die Tour gemacht zu haben, finde diesen relativ neuen Tourismuszweig mit “Horror-Haien” aber gleichzeitig auch ziemlich abstoßend.
Abgeha(i)kt!
21.10. Liebe Agnes ! Komme erst jetzt dazu den Kommentar zu schreiben. Ein Wahnsinn,deine Erlebnisse.Zuerst die Safari zu den “Big Five” und jetzt die Haie.Ich kann nur hoffen , dieser eine “Ausflug” hat Dir genügt.Es ist sicher nicht Jedermanns Sache, so Aug in Aug mit diesen Räubern in einem Käfig zu sein. Alles Liebe und B…. Fritz