It’s all about communication

“It’s all about communication”, “Die Innenwelt einer Sprachschule” oder “Jetzt geht es ans Eingemachte”. Nach einer Aufenthaltsdauer von nunmehr 20 Wochen muss ich endlich über mein Fortschreiten/meinen Fortschritt hier in Cape Town berichten. “Just do babysteps!”, bläut uns mein neuer Academic Skills-und General English-Lehrer John fast täglich ein. Was er damit konkret meint, war mir lange Zeit nicht klar, war ich doch überzeugt davon, dass ich Riesenschritte machen müsse, um dahin zu gelangen, wo ich hin will (CAE oder vielleicht sogar CPE?).

Mein Englisch schreitet voran; was ich an meinen konstanten Level-Aufstiegen (noch ist das der Fall) alle paar Wochen selbst erkennen kann, ist, dass ich tatsächlich etwas lerne. Klingt komisch, ist aber so, denn als Student(in) merkt man das nicht (sofort). Und dabei geht es doch einzig und allein um die Kommunikation, um das Sich-Miteinander-Austauschen – und all das auf “English only please”.

Weil mit mir gemeinsam Mitte September ein Haufen Franzosen und Französisch parlierende Schüler ihre Ausbildung bei EF – Education First begonnen haben, musste ich die Schule zwangsläufig in “Education French” umtaufen, da in den Gängen “not a single word in English” zu hören war. Mittlerweile hat sich das geändert. Die französische Community hat sich, um anderen etwa ihr Hungergefühl mitzuteilen, einstimmig darauf geeinigt, statt “I am […]ungry” auf “I am starving” auszuweichen. “Angry? Why are you angry?”, das wurden sie wohl zu oft gefragt – also Grund genug für diesen erbosten Umschwung. Während die Spanier jeden einzelnen Satz mit “In my country …” starten, stehen die Italiener wild gestikulierend vor einem und … ja, gestikulieren, was sie uns mitteilen wollen. Aber Schluss mit dieser Stereotypisierung.

“Communication”, das ist das Überthema von Woche 18. Etymologisch betrachtet geht das Wort auf lat. “communicare” zurück und bedeutet „teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen“. Kommunikation – ein seeeehr weites Feld; in unseren Freitagspräsentationen können wir alles beginnend bei Felszeichnungen, Rauch- oder Morsezeichen mit unseren Klassenkollegen “sharen”. Bevor ich referiere, lausche ich vorher gespannt sämtlichen Informationen über japanische Alphabete, Gebärdensprache und Messages in a bottle. Da die Vorbereitungszeit in dieser Woche gerade mal auf einen Nachmittag, an dem ich aber schon andere Pläne habe (siehe unten), beschränkt ist, beschließe ich kurzfristig, meine ursprüngliche Idee, nämlich alles über UGC (User-Generated-Content) und Web 2.0 zu vermitteln, aufzugeben, ergo auf meine Recherche und PowerPoint-Slides zu pfeifen und meine Mitstudenten lieber auf eine Zeitreise zurück in die Zeit ohne Internet einzuladen.

Zu Beginn male ich einen Zeitstrahl auf die Tafel, der mit meinem Geburtsjahr startet (“Ooh!”). Zehn Jahre später sollte ein gewisser Tim Berners-Lee das “World Wide Web” erfinden (Na? Schon jemand nachrecherchiert? 🙂 ). Bis Ende der 90er Jahre lebe ich ohne Smartphone und ohne Internet. Kein second oder third screen, kein mobiles Internet, keine Apps. Ich selbst lasse mich in meine(n) Erinnerungen zurückfallen und meine Kollegen, überwiegend “digital natives”, in kurzen Anekdoten an dieser, mittlerweile fast nicht mehr vorstellbaren Vergangenheit teilhaben. Ich erzähle ihnen vom Fernsehen (“Peter Alexander Show” und “Am dam des”), von Büchern, vom Teletext und von meinen wöchentlichen Versuchen, zumindest die Top 3 der Hitparade am Sonntagabend – den Daumen auf der Record-Taste platziert – auf Kassette aufzunehmen, natürlich in der Hoffnung, dass der Moderator nicht dreinquatscht. Erzähle ihnen von meinem ersten Walkman, später Discman, von einer illegalen Audiotrack-Plattform namens “Napster”, von Mp3-Playern bis hin zu iTunes und soundcloud.

In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts kommuniziere ich – abgesehen vom Festnetz (es gibt auch noch Drehwählscheiben) – schon sehr fortschrittlich über einen Pager, einem digitalen (einzeiligen) Funkmeldeempfänger … ein sehr sinnvolles Instrument, um Verspätungen bekannt zu geben oder Termine zu verschieben, freilich ohne unmittelbare Rückmeldung. Meine Großmutter paget mir über den neuen Ernteertrag und fordert mich auf, frische Fisolen abzuholen. Ich amüsiere mich abgesehen von den Inhalten der Nachrichten, die ich erhalte, zudem köstlich über diverse falsche Schreibweisen. Natürlich war es auch üblich, die Anrufer (jede Sekunde mehr Geld für den Anbieter) mit Rückfragen a la “Können Sie das bitte nochmals wiederholen?” möglichst lange in der Leitung zu behalten.

Erläutere ihnen, dass man zunächst einen Telefonanschluss ☎ benötigte, um überhaupt eine Verbindung ins WWW zu bekommen. Referiere schließlich – angelehnt an die vorhandenen Kommunikationstheorien – über den Wandel der unterschiedlichen Internet-Generationen beginnend bei Web 1.0 (one to many), über Web 2.0 (many to many) bis hin zu einem kurzen Ausblick, was die upcoming era, das semantische Web 3.0, für uns bereits bereithält bzw. was uns erwartet.

Ich bin selbst erstaunt, wie leichtfüßig und flink ich mich fortbewege, nicht nur was den Zeitstrahl betrifft, sondern auch kommunikationstechnisch. Zufrieden bin ich mit meiner Präsentation, die vielleicht nicht zu 100 Prozent perfekt war, aber immerhin für Erheiterung und Abwechslung gesorgt hat. Und Nomophobia (“NoMobile-Phone-Phobia“), by the way Johns aktuelles Lieblingskofferwort, war auch keine zu bemerken.

Ja, es hat sich vieles getan und verändert. Das steht fest. Und auch Mama und Fritz haben nun endlich – nach mehr als vier Monaten, die ich nun schon in Südafrika verweile – den Schritt gewagt (Wie war das mit den babysteps?), über den beliebten Instant-Messaging-Dienst “WhatsApp” mit mir zu kommunizieren: “Fritzens Nummer hat WHATS UP!” oder “Bitte um Rückruf auf Whats Apple“. ;-).

Mit Dagmar besuche ich in dieser Woche noch “Mabu Vinyl”, einen nostalgischen (Second-Hand-)Shop mit Unmengen an alten Scheiben, Kassetten, CDs, DVDs, Büchern, Magazinen, Comics und Postern. Es ist schon ein ganz eigenes Gefühl, in diesem Laden zu stehen und zu wissen, dass es Stephen “Sugar” Segerman, einer der Besitzer, war, der sich gemeinsam mit einem Musikjournalisten auf die Suche nach dem amerikanischen Musiker Sixto Rodriguez begeben hat. Der Dokumentarfilm “Searching for Sugar Man” erzählt die unglaubliche Geschichte eines – für die südafrikanische Apartheid-Protestbewegung in den 70ern geltenden – Superstars, der von seiner Berühmtheit erst Jahrzehnte später erfahren sollte. Anschauen!

Apropos anschauen: Schon sehr lange habe ich mir kein Musical mehr angeschaut. Ich nutze die Gelegenheit gemeinsam mit Dagmar, die mir den Vorschlag unterbreitet, dem Fugard Theatre ? einen Besuch abzustatten und sich dort “District Six – Kanala” anzuschauen. Brilliante Idee! Die Show feierte auf den Tag genau 50 Jahre nach der Zwangsräumung dieses Stadtteils Premiere und zollt Tribut an die einst dort beheimatete multikulturelle und -ethnische Bevölkerung. Wieder bekomme ich neue, tieferliegende Eindrücke und -blicke der südafrikanischen Vergangenheit, die mich sowohl nachdenklich stimmen, mich im Sinne eines erfolgreichen Musical-Abends aber auch perfekt unterhalten. Auch die Theaterkritiker sind angetan. Besonders freut mich, dass mir Sne Dladla, den ich schon vom Cape Town Comedy Club kenne, wieder auf der Bühne begegnet. Ebenfalls anschauen – when in town! 😉

2 comments on “It’s all about communication

  1. Danke für die Zeitreise!!! 🙂
    Ich werde nie vergessen, wie ärgerlich es war, wenn der Moderator auf meinen Kassetten reingequatscht hat (..Kommentar auf meinem third screen geschrieben…).

  2. Irgendwie bin ich in der Entwicklung stehen geblieben, habe zwar Mitte der Neunziger ein Handy bekommen welches meine bescheidenen Ansprüchen genügte.Erst 2016 erstand ich ein Smartphon (mit dem ich mich bis heute nicht auskenne). Habe zwar seit Jahren einen PC,der für mich ebenfalls ein unbekanntes Wesen darstellt.Die moderne Kommunikationstechnik hat mich überrollt.Freue mich jedenfalls Irre,daß ich Deine Blogs lesen kann,Freue mich schon auf Deinen nächsten Bericht. Fritz

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